Heinz-Dieter Gerstenköper der "Warsteiner"

Kaserne I

Herzlich willkommen bei den Brüllaffen...


...und bei einigen fairen Ausbildern wie unser Zugführer Stabsunteroffizier Erhard Rump


Irgendwann hatte er seine Stube und die Kleiderkammer gefunden. Er wurde in Rekordzeit eingekleidet. Die Kleidungsstücke wurden ihm quasi nur noch zugeschmissen mit den verbindlichen Versprechen: „Passt schon!“ Endlich konnte er sich auf der Stube das lila Hemd vom Leib reißen und dann duschen, umziehen, Bett beziehen, den Spind einrichten und zum gemeinsamen Abendessen antreten. Alles geschah unter erheblichem Zeitdruck und ständigem Gebrüll. Aber er hatte nun die durch die Bus-Panne verlorene Zeit im Zeitraffer eingeholt und war nun im Gleichschritt mit seinen Stubenkameraden. Das lila Hemd lag im Wäschebeutel für zu Hause und das neue olivfarbene Soldatenhemd war inzwischen ebenso durchgeschwitzt. Zurück auf den Stuben mussten wir aus Pappe Streifen schneiden und in U-Form knicken. Dieser U-Streifen wurde in die Hemden eingefaltet und aufeinander gestapelt so, dass der Packen von vorne aussah wie aufge-stapelte Bücher. Das sah sehr militärisch und zackig aus aber diese Hemden wurden nie getragen. Am Ende der Dienstzeit haben wir die Hemden auseinander gefaltet und jedes hatte vor der Brust alle einen schwarzen Schmutz-balken. 

Alles, was sonst noch an Wäschezeugs im Spind untergebracht werden musste, bekam Pappstreifen, was aber wirklich getragen wurde, lag zum schnellen Zugriff im Rucksack und wurde auch nicht in die Wäschekammer gebracht, sondern an freien Wochenenden mit  nachhause genommen, weil Mutter es sich gewünscht hatte.

Es wurde uns nie langweilig, die Kapos beschäfftigten uns mit  allerlei Kurzweil und sorgten für abwechslungsreiche Stunden, Tage und Nächte. Zum Beispiel den Zugführer vom 3. Zug Oberfeldwebel Egbert Gruschel: „Wer kann Schreib-maschine schreiben?“ Wahrheitsgetreu meldete sich Günther in der Hoffnung irgendwelche Berichte tippen zu müssen, um dafür einige Stunden dem Drill aus dem Wege zu gehen. Aber die Antwort fiel anders aus als erwartet. Für Gruschel vielleicht witzig, für Günther ärgelich. Motto: Zu früh gefreut! 


"Prima Voraussetzungen Mertens, dann dürfen Sie heute Abend meine Stiefel putzen! “ 

Es war, als wären wir auf einem anderen Planeten gelandet: Alle Menschen tragen oliv und sehen gleich aus. Ausschlafen, in Ruhe essen, diskutieren – war nicht. Überall dieses Geschrei: Befehl ist Befehl! Wir erlebten eine große Umstellung gegenüber unserem zivilen Leben. Sich beschweren? Der Weg war gut eingerichtet. Schriftliche Eingaben durften nur an die nächsten Vorgesetzten gerichtet werden und waren somit etwas für die Mülltonne. Das war so, als ob wir uns bei dem Hund beschweren mussten, der uns gebissen hat. Die Gefahr war dann groß, ein zweites Mal gebissen zu werden. 

Orientierungsmarsch von Altena nach Hemer
Stube 216: So sollte ein Spind aussehen
"Jawohl, Herr Hauptmann, ein NATO-Stern!" 
Ab in Bachmanns Fahrschule nach Unna 

Maskenball und Modenschau  um Mitternacht 

Einige Kapos hielten uns ununter-brochen auf Trab. Man konnte es diesen gehirnmäßig unter-versorgten Typen ansehen, dass es ihnen einen Mordsspaß machte, uns wie kleine Kinder hin und her zu scheuchen. Nicht nur, dass die Kapos und Feldwebel uns die Tage versauten, für die Spiele bei Nacht war der stellvertretende Kompaniechef und Zugführer Leutnant Gille zuständig. Sobald Vollmond war, bekam der Brandstifter seine kreativen Schübe uns zu demütigen. 

Wenn wir beispielsweise bei einer Geländeübung schon alles gegeben hatten und unsere Kampfanzüge im Trockenraum hingen, also für uns der


Tag gelaufen war und wir uns nach der frischer Wäsche und dem Abendessen sehnten, hatten wir häufig die Rechnung ohne Leutnant Gille gemacht. Sein Vater hatte einen hochrangigen Job im "Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung" in Koblenz und man erzählte sich, er habe seinem Sohn den Leutnants-rang bereits vor seinem 21. Lebensjahr "beschafft." 

Es war nur ein Gerücht und wir konnten es glauben, mussten aber nicht. Beim Stubendurchgang um 22:00 Uhr machte der Stubenälteste dem Unteroffizier vom Dienst Meldung über die Vollzähligkeit und Krankheitsstand der Belegschaft. 



Stuben- und Revierreinigen....  

Je nach Lust und Laune, wurde im Rahmen der Ordnungs- und Sauberkeitsprüfung, das volle Repertoire seit 1939 herangezogen. Die Ausbilder wollten uns am Beispiel der Nazizeit zeigen, wie man aus weichen Zivillisten harte Kerle macht. Vor versammelte Mannschaft sagte Heinrichs einmal: "Wenn meine Eltern etwas gegen Hitler gesagt hätten, dann ich hätte sie ins KZ gebracht!" Über diese Aussage habe ich mich tagelang nicht beruhigen können. Die Kapos begannen erst mit den etwas harmloseren Schikanen, wie beispielsweise den Stubentisch umdrehen, um nachzuprüfen, ob unter den Tischbeinen noch Schmutz vergessen wurde. Uns war das egal aber die Typen machten daraus immer eine riesige Welle. Den Befehl "In Reih und Glied" auszuführen, klappte bei uns Neusoldaten anfangs überhaupt nicht. Für das Gewusel hatten die Schreihälse kein Verständnis. Je schlechter es lief, umso lauter trillerten sie auf ihren Pfeifen und sorgten für ein absolutes Chaos. Die Ausdrücke wurden immer deftiger und es wurde geübt, geübt und nochmals geübt. Die Kapos waren wie Wölfe, die auf eine Schafherde losgingen und die graue Masse aus Uniformen schwappte ständig hin und her. Plötzlich stand der Haufen wieder ganz still in Hufeisenform oder auch einmal in Marschordnung. Eigentlich eine tolle Choreografie, nur Musik und Wasserfontänen fehlten dazu. 

Die Ausbilder fanden es beim Stubendurchgang sehr wichtig, nachzuprüfen, ob sich eventuell hinter den Spinden einige Staubkörnchen verirrt hatten. Also rückten wir sechs vollgepackte Schränke von den Wänden, um, wie zu erwarten festzustellen, dass dahinter alles sauber war. An manchen Abenden, wenn ein Unteroffizier in Begleitung seines Hilfsausbilders erschien, war es besonders heikel. Sie spielten sich dann sehr gerne auf, um den jungen Kollegen zu zeigen, was sie doch für perfekte Ausbilder waren, denen nichts entging. Die Spinden waren ihr Lieblingsspielzeug. Schon bei kleinster Abweichung von der befohlenen Ordnung, rissen sie unsere mühsam eingeordneten Utensilien aus dem Schrank und schmissen sie in der Stube herum oder die ganz gemeine Art war es, die Spinde bei geöffneten Türen oben anzufassen und umzustürzen. 

Stellte ein Unteroffizier vom Dienst (UvD genannt) unter einem Tischbein, hinter einem Spind oder auf der Gardinenleiste durch Überstreifen mit seinem Handschuh Staub fest, mussten alle sechs Soldaten die Stube erneut reinigen. Beim Nachapell fing das Spiel von vorne an, und wenn dann ein verirrter Fussel in irgendeiner Ritze gefunden wurde, hieß es, Stube 23 in fünf Minuten feldmarschmäßig, also im Kampfanzug mit Stiefeln und Stahlhelm und dem großen Sturmgepäck auf dem Vorplatz antreten. Dort wieder Appell, um festzustellen, ob tatsächlich alles, was zur Ausrüstung gehörte am Mann war. Und dann folgten Befehle auf Befehle: „Zurück auf die Stuben, marsch, marsch!“ „In drei Minuten Antreten im Trainingsanzug“, ‚Antreten mit Gasmaske!‘, "Antreten im Dienstanzug!“ Oder "im Ausgehanzug!“ Die Umkleidezeiten waren absichtlich so kurz bemessen, dass wir die gesamten Klamotten wild durcheinander in die Stube warfen. Der Maskenball endete mit dem Befehl, innerhalb von 10 Minuten Spinde einräumen und bereitstehen zum wiederholten Appell Wehe, wenn eine Spindordnung beanstandet wurde. Dann begann das Sp iel wieder von vorne. 
Wenn wir Glück hatten, waren die Kapos mit ihren Kumpeln zum Saufen verabredet, dann konnten wir ins Bett und einige Stunden schlafen. 

Heute war Bohnern angesagt. 15 Stuben mussten sich einen Bohnerbesen teilen, aber in zwei Stunden fertig sein. Also ein unmögliches Unterfangen. Wir suchten nach einer Alternative. Mir gegenüber stand unser Kamerad und Zimmergenosse, der kleine Taubenzüchter Leo Hoffmann aus Finnentrop und ich hatte eine brillante Idee. „Wir funktionieren Leo als Bohnerbesen um!“ Alle, außer Leo waren begeistert. Kurzer Hand banden wir ihm, gegen seinen Willen, ein Handtuch auf den Rücken und schon war er fertig, der Bohnerbesen für Stube 216. Werner Döring und Kalle Beerwerth hatten den Boden schon vorgewachst und nun musste er nur noch blank gebohnert werden. Günther Eickmann und ich legten Leo auf den Rücken, Günther fasste ihn an den Händen und ich nahm ihn bei den Füßen. Und dann ging es auch schon los, Radio an und im ¾-Takt nach dem Donauwalzer von Johann Strauß wurde gewienert was das Zeug hielt. Der Boden bekam einen erstklassigen Glanz. Leo gefiel das trotzdem nicht und meckerte herum. Mitten in unserer Aktion flog mit einem lauten Krach die Stubentür auf und knallte gegen unsere Betten. Stabsunteroffizier Heinrichs stand mit gespreizten Beinen im Türrahmen. Wie angewurzelt starrten wir ihn an und warteten darauf was nun kommen würde. Leo hing noch in den Fängen von Günther und mir. Heinrichs: „Gerstenköper, Sie müssen morgen nicht in die Fahrschule. Der Unterricht fällt aus und Sie dürfen morgen mit mir Sport machen, ist das klar!?" Mit einer äußerst zackigen Wendung drehte er sich um 180° in Richtung Ausgang, aber urplötzlich blieb er wieder stehen und zeigte noch einmal seine süffisante Mine, schnauzte mich an: „Glotzen sie mich nicht an wie ein Ölgötze und bestätigen sie meinen Befehl!“ Ich schrie so laut es mir möglich war: „Jawohl Herr Unteroffizier!“ Sein Gesicht zeigte leichte Zornesröte. Er hielt seine rechte Schulter direkt unter meine Nase und tippte wie ein Irrer auf seine Schulterklappen: "Was sehen Sie da Sie sie Hengst?" Leo war mir inzwischen aus den Händen geglitten. Ich schrie: "Verzeihung Herr Unteroffizier, dass ich Sie degradiert habe und Herr Stabsunteroffizier zu Ihnen gesagt habe" Heinrichs fauchte mich an: "Sind Sie so blöd oder tun Sie nur so?" Ich antwortete prompt: "Jawohl Herr Stabsunteroffizier!" 

"Mensch sagen sie doch nicht immer jawohl sie Rindvieh, morgen beim Sport werde ich ihnen die Faxen schon austreiben, ich lass mich von Ihnen nicht verkackeiern." Sagte es und verschwand um die Flurecke. Leo lag immer noch auf dem Boden, er wollte das Gespräch zwischen Heinrichs und mir nicht stören. Plötzlich zuckte sein Kopf wieder um die Türecke: „Ihr saublöden Waschweiber, macht dem Kerl das dämliche Handtuch endlich vom Rücken ab, auf so einen Scheiß könnt ihr auch nur kommen!“ Ich wollte noch "den Scheiß" bestätigen aber Heinrichs verschwand eiligst über den Flur. 

Er keifte noch einen Unbeteiligten an: "Sie sind genau so ein Heini!" Der Kamerad aus unserer Gruppe stand wie angewurzelt, mit offenem Mund auf dem Flur und wusste nicht wie ihm geschah. Ich sagte: " Kalle, du kannst den Mund wieder zumachen. " 

Beim Militär, egal ob Luftwaffe, Marine oder Heer, ein Befehl musste grundsätzlich vom Befehlsempfänger sofort mündlich und sinngemäß bestätigt werden. Beispiel: „Mertens, Buschmann und Gerstenköper Sie fegen sofort den Flur!“

„Jawohl Herr Unteroffizier, Flur fegen!“

Wieder einmal stand die Kompanie bereit zum Gewehrappell auf dem Antreteplatz. Dazu lagen alle Gewehrteile auf den Stühlen, mit Stuhllehne zum dahinterstehenden Rekruten, ausgebreitet. Eine Soldatenreihe überprüfte Oberfeldwebel und Zugführer Egbert Gruschel. Dieser Mensch hatte eine Plauze weit über dem Koppelschloss und eine noch größere Schnauze. Also Plauze und Schnauze waren über-dimensioniert. Er schikanierte Soldaten, wo er konnte. In der Reihe stand auch unser lieber Kamerad Walter Koschinski zum Appell bereit. Aus diesem jungen Mann hatte man versucht, einen Soldaten zu machen, aber egal welche fiesen Gemeinheiten man sich für ihn ausdachte, Walter war nicht aus der Ruhe zu bringen. Wir waren
der Meinung, dass Walter Recht hatte, aber Gruschel war derart verstimmt, dass er ihm den Wochenendurlaub sperrte. Was Gruschel nicht wusste, Walter Koschinski hatte einen eineiigen Zwillingsbruder (Manfred Koschinski). Beide waren nicht im Geringsten voneinander zu unter-scheiden, im Aussehen nicht und charakterlich nicht und das brachte uns auf eine grandiose Idee. Walter bekam offiziell in der Grundausbildung nicht ein einziges Mal Urlaub. Wir waren der Meinung, dass wir das ändern mussten. An einem Wochenende hatten wir uns vorgenommen, Walter gegen seinen Zwillingsbruder auszu-tauschen. Manfred sollte das Wochenende in der Kaserne bleiben und Walter konnte sich dann mit seinen Freunden ein schönes Wochenende machen. Günter Eickmann, der aus Menden kam, kannte sich bestens aus, er besuchte mindesten zweimal in der Woche unerlaubt seine Freundin und dafür hatte einen Fluchtweg ausfindig gemacht. Neben einem Lager für ausgediente Maschinenteile von Panzern, war ein wackeliger Zaunpfosten, den man bequem zur Seite drücken konnte. Für den Bruder war es keine Frage, er blieb dieses Wochen-ende in der Kaserne. Wir hatten ihm im Schnellkurs alles
Diesen Kameraden nahmen sich Gruschel und der Gruppen-führer Stabsunteroffizier Heinrichs täglich vor. Gruschel nahm den Gewehrteil mit dem Lauf in die Hand und be-trachtete zuerst das Schulterstück. In den Rillen dieses Teiles entdeckte er offenbar eine winzige Unsauberkeit. Da schrie er Koschinski an: „Man kann das Gewehr angucken, man kann den Spind angucken, man kann den ganzen Kerl angucken, Koschinski, Sie sind `ne Sau!“ Walter Koschinski bestätigte laut: „Jawohl, Herr Feldwebel, Sie sind `ne Sau!“
beigebracht, was er wissen musste, um nicht aufzufallen. Er tat dann was sein Zwillingsbruder in der Kaserne auch immer tat, er ließ sich volllaufen. 

Gruschel fühlte sich wohl bei dem Gedanken, Koschinski das Wochenende versaut zu haben. Nun ja, wenn ihn das glücklich gemacht hat, vielleicht hatte er keine leichte Kindheit und wurde vom Vater geschlagen und das hat ihn zu dem gemacht, was er war, eine Sau.


Unsere Standardwaffenausrüstung

Gewehr G3 Rückstoßlader, feststehendem Lauf, beweglich abgestütztem Rollenverschluss. Einzelfeuer als auch Dauerfeuer. Patronenzufuhr gerades Stangenmagazin mit 20 Patronen.
Maschinenpistole MP UZI Die Micro-Uzi-Maschinenpistole wiegt 2,0 kg und ist 486 mm lang, die Rohrlänge beträgt nur noch 115 mm. Sie hat eine ähnliche Schulterstütze wie die Mini-Uzi, allerdings entfällt der vordere Pistolengriff. Die Micro-Uzi ist ein aufschießender Rückstoßlader, mit ähnlichem System wie die aufschießende Mini-Uzi-Variante. Allerdings musste bei der Micro-Uzi der Verschluss zusätzlich mit Wolframeinlagen beschwert werden, da bei dem leichten System sonst die Feuerrate viel zu hoch wäre. Dadurch liegt die Feuerrate, wie bei der aufschießenden Mini-Uzi, bei ca. 1.700 Schuss/min.










Pistole P1 Die Walther P1 war von 1956 bis zum Jahr 2004 die Dienstpistole der Bundeswehr. 8 Patronen, Kaliber 9x19 mm, Länge 216 mm, Gewicht 0,8 kg
Die Heeresdienst-vorschrift ist nicht leicht zu verstehen....
Es gibt Dinge, die glaubt man nicht und die stehen in der Heeresdienstvor-schrift. Unser Gebetbuch war der: "BRANDT/REIBERT 1961" für meinen Vater der "REIBERT 1941" 

Gewehrreinigen: Alle gleitenden Teile sind leicht zu ölen, mit Ausnahme bei 100° minus. Marschieren: "Ohne Tritt marsch!" (geht irgendwie nicht) 



Die Formalausbildung....

Die Worte des Kompaniechefs Hauptmann Baumann: „Wer nicht grüßen kann, blamiert außerhalb der Kaserne unsere gesamte Innung!“ Es reichte also nicht aus, was uns unsere Eltern beigebracht hatten, höflich zu unseren Mitmenschen zu sein, sie freundlich mit: „Guten Tag“ oder „Auf Wiedersehen“ zu grüßen und dabei leicht nickend mit freundlichen Lächeln kurz die Mütze zu lüften. Und hier galt es schon als Gruß, wenn der Soldat auf einen ranghöheren Soldaten traf, wortlos und ohne die Mütze abzusetzen die Fingerspitzen an die Stirn zu legen. Es war dabei wichtig, die Fingerspitzen komplett an die Stirn zu legen, also nicht nur mit einem Finger an die Stirn tippen, denn das hätte als vorsätzliche Beleidigung ausgelegt werden konnte. 


Das, was das Grüßen so schwierig machte, war der Umstand, dass sich beim Gruß vom Ellbogen bis zur Fingerspitze eine totale Gerade ergeben musste. Ich weiß nicht warum, aber bei mir klappte es auf Anhieb und Stabsunteroffizier Heinrichs ernannte mich kurzer Hand zum Grußhilfsausbilder der 5. Gruppe. Wir hatten einen Mordsspaß dabei. Ich stand als zu grüßende Pylone in der Gegend herum und aus der 5. Gruppe mussten die Kameraden an mir vorbeistolzieren, mich dabei grüßen und ich hatte jeweils den Gruß zu erwidern. Jedes Mal, wenn einer an mir vorbeiging und mich grüßte, sagte ich als Zeichen dafür, dass ich ihn erkannt hatte: „Blödmann“ und der grüßende Soldat antwortete: „Knallkopf.“  Wir waren jung und für jeden Unsinn zu haben.


Mit solchen Kleinigkeiten machten wir uns Spaß und mussten uns aber beherrschen, um nicht laut loszulachen. Nur unser Kamerad Ernst Schlenker begriff den Nonsens nicht und schnauzte mich sofort harsch an: „Ich bin nicht doof, du bist doof!“ Er war sehr erregt und machte Heinrichs, der mit seinen Kumpels im Kreis auf der angrenzenden Wiese herumlungerte, auf uns aufmerksam. Der kam auch prompt angerauscht und wollte wissen, warum wir uns streiten. Wahrheitsgemäß sagte ich: „Herr Stabsunteroffizier ich habe zum Panzergrenadier Schlenker gesagt, er sei doof.“ Heinrichs wich einen Schritt von mir zurück, sah mich ehrfürchtig an und klopfte mir mit dem Ausdruck höchster Anerkennung mit den Worten auf die Schulter: „Mensch Gerstenköper, aus ihnen könnte noch ein prima Unteroffizier werden!“ Er schmiss seine Zigarettenkippe auf den Boden, trat mit der Stiefelspitze darauf und drehte sie hin und her und sah mir dabei tief in die Augen: „Hat die Kippe nicht eben der Schlenker dahingeworfen?“ Ich antwortete reflexartig: „Ich weiß es nicht Herr Stabsunteroffizier, ich bin noch kein Unteroffizier!“ Er sah mich an und sagte nur: „Mann, sie sind eine Marke“ drehte sich um und latschte zu seinen Unteroffizierskumpeln und erzählte ihnen sofort was vorgefallen war. Nach einer Weile ertönte schallendes Gelächter und dabei sahen sie zu mir rüber. Wütend über mich selbst, fielen mir die letzten Worte meines Vaters am Kasernentor ein: „Versuche nicht aufzufallen, wenn die nach drei Monaten deinen Namen nicht kennen, hast du alles richtig gemacht.“ Na ja, nun war es eben passiert, aber es waren nur noch 8 Wochen. Während ich meinen Gedanken nachhing, sah ich Heinrichs, wie er einen verdatterten Rekruten anquatschte, der mal für einige Sekunden innehielt: „Männeken, wenn se nix zu tun haben, stehnse nich rum, übense Wendungen!“


Ernst Schlenker wurde noch während der Grundausbildung wieder nach Hause geschickt. Er war als Soldat ungeeignet. Beim Exerzieren konnte er sich schlecht die kleinen Feinheiten merken. Wenn es hieß „In Linie antreten“ dann folgte meist ein Befehl, in welche Richtung man den Kopf zu bewegen hatte. Wenn es hieß „Die Augen nach links oder rechts“, konnte man davon ausgehen, dass er den Kopf zur falschen Seite drehte.


Heinrichs schrie: "Und wenn ich sage links, dann muß es so schnell gehen, dass dem Nachbar der Rotz um die Ohren fliegt!"



"Zu Heinrichs, dem Tyrannen, schlich Koschinski, den Dolch im Gewande"

Walter Koschinski war bestimmt kein guter Soldat. Er versuchte sein Leben so weiter zu führen, wie er es in Freiheit gewohnt war. Uns gegenüber hat er sich immer fair benommen. Wenn jemand ein Problem hatte, bemühte er sich, Hilfe zu leisten so gut er eben konnte. Er trank ein wenig mehr Alkohol als der Durchschnitt aber dabei blieb er immer liebenswert und kameradschaftlich. Heinrichs hätte seine Schikanen gegenüber Walter Koschinski beinahe mit seinem Leben bezahlt.

Montag 16. Oktober 1961 Im Gelände. Es war ein kühler, aber sonniger Tag. Mit wenig Gepäck und einigermaßen guter Laune waren wir mit Heinrichs und seinem Schatten, dem Hilfsausbilder Gefreiter Fritz, unterwegs. Heute stand Entfernungsschätzen auf dem Aus-bildungsprogramm. Nachdem Hein-richs den richtigen Ort gefunden hat, um uns beizubringen, was ein Soldat unter den Begriffen Daumensprung links oder Daumen-sprung rechts zu verstehen hat, durften wir unser Gepäck ablegen. Natürlich wohl aufgereiht in einer schnurgeraden Linie. Nachdem wir den Daumen-sprung beherrschten, ging Heinrichs das Thema Ent-fernungsschätzen an. Er sagte uns Ziele im Gelände an, die er mit seinem Fernglas ausgemacht hatte und fragte unsere Mutmaßungen ab. Eigentlich ein Thema, welches ohne große Aufregung abgehandelt werden konnte. Aber Heinrichs wollte unseren geschätzten Ergebnissen nachmessen, um festzustellen, ob wir einigermaßen im Toleranzbereich lagen. Eigentlich eine lobenswerte Einstellung, wenn sich nicht immer die innere Stimme seiner Dämonen melden würde:

„Hallo Sadist, du hast heute noch keinen schwächeren Menschen ge-quält, was ist los mit dir?“

Dann lag plötzlich so etwas wie Mordlust in den Augen von Heinrichs. Man sah ihm an, dass er etwas Böses im Sinn hatte. Werner Döring hatte gerade geschätzt, dass die Bauminsel am Fuß des Berges 500 Meter entfernt ist. Er rief zu Koschinski rüber: „Koschinski, was haben für rein Schrittmaß?“ Koschinski rief gelang-weilt: „80“ und schon zündete es bei Heinrichs. Er sprang auf und nahm Kampfstellung ein: „80 Kartoffeln, oder was?“ „Stehen sie gefälligst auf, sie Flitzpiepe und nehmen Haltung an und dann wiederholen sie mal ihre Antwort militärisch korrekt!“ Koschinski erhob sich und stand einigermaßen stramm: „Unteroffizier, mein Schrittmaß ist 80 Zentimeter.“ Heinrichs erbost:“ Das heißt Herr Unteroffizier!“ Das ging noch eine Weile so weiter und endete damit, dass Koschinski die geschätzte Ent-fernung von Werner Döring abschreiten musste. Soweit man schreiten bei ein-em derart steilen Hang eher als klettern bezeichnen konnte. Koschinski mühte sich redlich und es tat uns in der Seele weh, ihn in einer derart misslichen Situation zu sehen. Heinrich versuchte durch sein feixen über Koschinski uns
auf seine Seite zu ziehen, aber unsere  Wut auf ihn wurde nur noch schlimmer. Nach  Minuten war er an der Bauminsel angekommen und verschwand darin. Heinrich wurde nervös, als nach 10 Minuten Koschinski nicht auftauchte: „Fritz, geben Sie mir mal ihr Fernglas.“ Er justierte am Fernglas herum und bewegte es suchend hin und her. Plötzlich schrie er auf: „Ich glaube es nicht, das sitzt dieser Schweinehund auf seinem dicken Arsch und qualmt Zigaretten!“
Er gab mir das Fernglas und sagte zu mir: “Halten sie mal.“ Nahm dann eine Leuchtspurpistole und feuerte in Richtung Koschinski. Nach einer Weile kam Koschinski mit erhobenen Händen aus den Büschen und machte sich auf den Rückweg. Wir mussten uns marschfertig machen und als nach einer kleinen Ewigkeit Koschinski ankam, ging es im Laufschritt in Richtung Kaserne. Was das für Koschinski bedeutete war klar, er war am Ende seiner Kräfte und wir machten uns große Sorgen um seine Gesundheit. Absichtlich machten wir aus dem Dauerlauf so etwas wie eine Zeitlupe oder der eine oder andere klagte über Herzbeschwerden oder Muskelkrämpfe, so dass unser Kamerad einigermaßen mithalten konnte. Ohne dass es Heinrichs bemerkt hatte trug der eine oder andere von uns das Gepäck von Koschinski. Heinrichs war ab sofort unser Erzfeind und hatte, nichts Gutes von uns zu erwarten. Wo immer es ging, haben wir ihn mit seinen eigenen Waffen geschlagen.   Mittwoch 18. Oktober 1961 Auf dem Sportplatz. „Heute ist Sport zur Leibesertüchtigung“ brüllte Gruschel und um 15:00 Uhr stand die Kompanie  bereit zum Dauerlauf Richtung Sportplatz. Ich habe mich darauf gefreut, mal etwas anderes als den üblichen Drill. In lockerer Formation liefen wir zum Sportplatz.
Zunächst lief alles wie immer harmlos ab, die Kapos  ihre dummen Späße speziell über die Rekruten, die etwas fülliger waren und auch keinen besonderen sportlichen Ehrgeiz hatten. Nach einer Stunde wurde es den Ausbildern wohl langweilig und Heinrichs und Gruschel nahmen sich wieder einmal Kamerad Koschinski aufs Korn. Nachdem Koschinski beim 400 m Lauf mit großem Abstand als Letzter ins Ziel kam, ließen sie ihn Runde um Runde alleine laufen. Der arme Kerl baute immer mehr ab und abwechselnd riefen Heinrichs und Gruschel nach jeder Runde: „Koschinski noch ne Runde!“ Als er plötzlich mit Nasenbluten ankam, ließen sie von ihm ab. Wir kümmerten uns um Walter und fühlten wie er innerlich kochte und sehr schwer atmete. In seinen Augen war unbändige Wut zu erkennen. Plötzlich entwickelte er unbändige Kräfte, riss sich von uns los und zog aus seinem Trainingsanzug sein Kapp-messer. Fünf Meter entfernt stand Gruschel mit dem Rücken zu uns. Walter startete in seine Richtung mit dem Messer in der Hand bereit zum “Dolchstoß“ Waldemar Hauser, mit sehr sportlichen Veranlagungen, sprang ihm in die Beine und brachte ihn zu Fall. Während er stürzte, konnten wir ihm das Messer entreißen und ich versteckte es in meiner Hosentasche. Weitere Kammeraden hatten begriffen, was sich hier abspielt und bildeten eine Traube um das Geschehen. Im Moment als sich Gruschel umdrehte, stand ich über Walter und gab ihm mit der flachen Hand eine gehörige Backpfeife. Gruschel sah Heinrichs und rief uns zu: “Ist was mit Koschinski?“ Einer von uns rief zurück: „Koschinski brauchte mal einen in die Fresse!“ Die beiden “Genialitäten“ grinsten sich an und Gruschel rief rüber: „Lasst euch nicht stören!“ Und gut gelaunt entfernten sie sich. 

Ich glaube, diese Art von Menschen-führung war damals nicht unüblich. Wenn ich an die Vorkommnisse von Hammelburg denke, dann hatten wir es noch gut getroffen. Koschinski hat an dem Abend erst einmal einen Kasten Bier und eine Flasche Schnaps besorgt und wollte uns damit seinen Dank ausdrücken. Eigentlich war er ein ganz lieber Kerl, der beinahe zum Mörder geworden wäre. Als ihm richtig bewusst wurde, was da geschehen war, bekam er einen heftigen Weinkrampf und wir waren alle den Tränen nah. Walter war unser Kamerad.



Fototermin der Stube 216

Mein Onkel Heinz (Heinz Vierhaus, ehemaliger U-Bootfahrer) hatte mir seinen Fotoapparat geliehen. Es war eigentlich ein schöner Tag, zwar ein bisschen kalt aber eigentlich normal für diese Jahreszeit. Wir lungerten gelangweilt auf unseren Betten herum und wussten nicht so richtig was wir tun sollten. Nebenan, auf Stube 217 fand ein großes Saufgelage statt, Roman hatte Geburtstag und die Gruppe hatte sich gesucht und gefunden, alles trinkfeste Jungs. 

Peter Grabs räusperte sich im Halbschlaf: "Du hast doch einen Fotoapparat dabei, bei dem Wetter könnten wir doch einige Aufnahmen vor unserem Block machen." 

"Gute Idee!", rief Werner Döring, der auf seine "Hochbett saß und die Beine baumeln ließ. Günther Eickmann machte den Vorschlag, dass wir alle den olivfarbenen Arbeitsanzug und dazu Stiefel anziehen sollten. Die übliche Arbeitsmütze durfte nicht fehlen. 
So machten wir es auch dann, außer unser Küken Kalle Beerwerth. Kalle hatte derart große Füße, dafür hatte die Bundeswehr keine Stiefel, er trug deshalb immer hohe Schnürschuhe mit Gamaschen. Er war gerade 17 Jahre alt und hatte sich als Zeitsoldat verpflichtet. Aber er war der Größte in unserer Stube. 1,90 m groß, Peter, Werner Günther und ich waren genau 1,80 m und unser Leo war nur 1,70 m groß. 

Bevor wir rausgingen, polierten wir noch ein wenig unsere  Stiefel blank. Auf unseren Fotos fehlte immer derjenige der fotografierte. Ich wollten uns einen "Fotografen" von der Stube 217 holen aber als ich die benebelte Bande sah, ließ ich von meinem Vorhaben ab. Das wäre nichts geworden. 

Der Fotoapparat, eine Voigtländer VITO B, damals eine führende Marke hatte schon einen automatischen Belichtungsmesser.
Kalle Beerwerth, Dieter Gerstenköper, Günther Eickmann, Leo Hoffmann, Werner Döring (Fotograf Peter Grabs)
Kalle Beerwerth - Werner Döring - Peter Grabs - Dieter Gerstenköper - Günther Eickmann (Fotograf Leo Hoffmann)
Kalle Beerwerth - Günther Eickmann - Peter Grabs - Werner Döring - Dieter Gerstenköper (Fotograf Leo Hoffmann)
Werner Döring - Kalle Beerwerth - Peter Grabs - Günther Eickmann - Leo Hoffmann (Fotograf Dieter Gerstenköper)
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