Heinz-Dieter Gerstenköper der "Warsteiner"

Kaserne II


Acht Stunden Exerzieren, Geländeübungen, Unterricht über Ballistik, Grüßen, Schießen, Gewehrreinigen, Anziehen, Ausziehen, wie putze ich meine Zähne, richtiges Sitzen auf dem Donnerbalken usw.  


Eigentlich war es uns völlig egal was wir machte, einzig der Gedanke, dass dieser Blödsinn in absehbarer Zeit vorbei ist hielt und aufrecht. Sofort und blitzschnell auf Befehle zu reagieren hatten wir uns abgewöhnt. Die Schleifer hatten sich schon ihre Lieblinge auserkoren und waren damit so beschäftigt, dass wir Normalos kaum noch auffielen. Ohne es zu ahnen, entwickelten sie die letzten acht Wochen prächtig für mein Ego. Hauptmann Baumann trug dazu bei. Neben der täglichen Fahrschule in Unna, verschaffte er mir einen Job, bei dem ich mich den ganzen Tag frei bewegen konnte und  erntete noch viel Lob für meine "Arbeit"  Alles fing damit an, dass wir wieder einmal Unterricht in Ballistik bei Stuffz. Heinrichs hatten.


16. November 1961 Panzernahkampf
21. November 1961 Dienstgradabzeichen der Marine
23. November 1961 Anzugsordnung
28. November 1961 Der Viertaktmotor
30. November 1961 Der Zweitaktmotor
05. Dezember 1961 Kraftfahrzeuge allgemein


17. Oktober 1961. Heute war mal wieder Gruppenschulung angesagt. Thema: Die Ballistik. Sonst war es ein Tag wie jeder andere in der Blücher-Kaserne. Wir hatten unsere Stube zum Klassenzimmer umfunktioniert und Stabsunteroffizier Heinrichs fühlte sich bewogen uns zu erklären was mit der Kanonenkugel passiert, wenn sie das Rohr verlässt. Wir waren froh, in der warmen Stube zu sitzen, denn draußen war es nur knapp 5°. Damit wir nicht gestört werden, hatte ich ein Schild gemalt, auf dem der Ausbilder mit einem Zeigestock an der Tafel stand. Alle 12 Rekruten auf der Darstellung schliefen mit dem Kopf auf der Tischplatte. Darüber stand: 
 
Ruhe bitte!
5. Gruppe hat Unterricht
 
Heinrichs war nicht der geborene Vortragskünstler und hatte sich deshalb seinen etwas wortgewandteren Hilfs-ausbilder den Gefreiten Fritz zur Seite gestellt. Der hatte auch nicht viel Ahnung, aber er bemühte sich wenigstens in zusammenhängenden Sätzen zu sprechen. 
 
Die ersten 15 Minuten brauchte Heinrichs immer, um uns zu erklären, wie genial und großartig er war. Wir wussten nach einer Viertelstunde, dass er sich selbst sehr gut leiden konnte und alles andere um ihn herum war Dreck.....Scheißdreck!
 
Heinrichs eröffnete das Thema mit den Worten: „So, jetzt kümmern wir uns erstmal um die Ballistik.“  Er machte mich darauf aufmerksam, dass dieses Thema für mich besonders wichtig sei, weil ich in der Kompanie der Panzergrenadiere, der einzige war, der mit roten, statt grünen Kragenspiegeln herumlief. Ich war in seinen Augen gewissermaßen ein Fremdkörper, ein Artillerist zwischen 143 Panzergrenadieren. Später in Unna kam ich zum „DivTop“ (Divisions-Topograf) und die Truppe war dem Artillerieregiment 7, Lippstadt unterstellt. Der Gefreite Fritz begann mit seinen Ausführungen: „Wenn die Kanone das Geschoss abfeuert, fliegt das in einer gebogene Fluglinie nach unten und da gibt es: 
 
1.0 Die theoretische Flugbahn
2.0 Die parable          Flugbahn
3.0 Die ballistische  Flugbahn
 
Er gab zu, dass er von den drei Möglichkeiten nur so am Rande etwas mitbekommen hat. Er war ja Panzergrenadier und die müssen das nicht so wissen. Schaute mich an und krächzte: "Kanoniere aber schon!" Das Geschosse aus einem Gewehr oder Panzer den gleichen Naturgesetzen unterliegen, darüber hatte er noch nicht nachgedacht. Deshalb hielten ihn seine Vorgesetzten wohl für besonders befähigt, uns in diesem Fach zu schulen. Das Thema lag sehr und ich freute mich darauf, Heinrichs in die Enge zu treiben. Im Alter von 15 Jahren habe ich mich mit meinem Freund Alfred Enste, seriös mit der Entwicklung von Raketenantrieben beschäftigt und zu diesem Thema gehörte auch in gewisser Weise die Ballistik. Ich war gerade im Begriff an die Tafel zu gehen, um die Formel aufzuschreiben und zu erläutern, als es an die Tür klopfte und der Kompaniechef Baumann trat ein. Heinrichs schrie in Kasernenhof-lautstärke: „Achtung!“ Für uns hieß es, aufspringen, Hände an die Hosennaht und stramme Haltung mit Front zum Chef annehmen. Der sagte jovial, beinahe väterlich: „Setzt euch Männer. Ich habe eine kurze Frage: Wer hat das Schild gemalt?“ Ich sprang wieder auf und meldete: „Ich Herr Hauptmann, Kanonier Gerstenköper!“ Er schaute mich kurz an und sagte nur: „Wenn ihr hier fertig seid, melden sie sich bei UA Zeppenfeld in meinem Vorzimmer.“ „Jawohl Herr Hauptmann, bei UA Zeppenfeld melden!“ Mir machten diese zackigen Meldungen riesigen Spaß, weil ich die Art zu kommunizieren für blödsinnig hielt. Ich hoffte immer, dass es mein Gegenüber erkennen konnte. Leider entsprach mein Verhalten den Vorschriften und die Vorgesetzten mußten es so hinnehmen.

Der Hauptmann machte kehrt und verließ die Stube.  Heinrichs, wie von der Tarantel gestochen schrie mit etwas Verspätung Achtung!, als die Tür bereits ins Schloss gefallen war. Wir blieben sitzen. Heinrichs guckte in solchen Fällen, mit denen er nicht umgehen konnte, etwa so wie mein Dackel. Aber nach kurzer Bedenkzeit hatte er sich gefasst und setzte er ein schadenfrohes  Grinsen auf: „Na Oberkanonier, das wird ein schönes Donnerwetter geben!“ Wenn irgendetwas im Busch war, sprach Heinrichs mich nur mit Kanonier an und nur in Ausnahmefällen Oberkanonier. Sein Gehirn war ungeübt im Denken, weil er es so wenig benutzte. Schnelles Umdenken war nicht so sein Ding. Deshalb kam es oft zu derartigen unsinnigen Äußerungen. Es fiel ihm sehr schwer, sich meinen Nachnamen zu merken und so rief oder brüllte er entweder Kanonier, Oberkanonier oder nach dem Warsteiner.
 
Auweia, was will denn der Kompaniechef denn von mir. So schlimm war das doch nicht mit dem Schildchen und beleidigt habe ich doch auch niemand. Ich eilte, mit einem etwas mulmigen Gefühl zum Vorzimmer des Kompaniechefs in die untere Etage. Im Vorzimmer saß üblicher Weise der Hauptgefreite und Unteroffizieranwärter (UA) Anton August Johannes Zeppenfeld. 
 
Der war schon als Gefreiter UA und als Obergefreiter war er immer noch UA, und selbst als Hauptgefreiter war er noch UA! Ich hatte ihm mal prophezeit, das er als Feldwebel immer noch UA sein wird. Seine Antwort darauf: "Du bist ja blöde, das geht doch garnicht." Ich stimmte ihm zu und er konnte sich aussuchen, ob ich blöde bin oder ob es nicht möglich ist als Feldwebel Unteroffizieranwärter zu sein.  
 
Vor Hauptgefreiten hatten wir großen Respekt. Die kannten den Barras durch und durch und hatten den Bogen raus, wie man den Tag ohne körperlichen und vor allen Dingen ohne geistige Anstrengungen rum brachte und wie man perfekt Schuld am persönlichen Versagen anderen in die Schuhe schieben konnte.

Als ich die Tür zu seinem Büro aufmachte, kniete er wie ein Riesenschnauzer der zum Sprung ansetzte auf seinem Schreibtisch, bewaffnet mit einer sehr spitzen Reißnadel und just in dem Moment, in dem ich die Tür aufmachte, holte er wie ein Dartspieler aus und feuert die Reißnadel an meinem rechten Ohr vorbei in die Deutschlandkarte und traf dabei Brilon im Sauerland. Mein Kommentar: „Bist du bekloppt, du hättest mich treffen können!“ Das war von Anton Zeppenfeld ein weiterer erfolgloser Versuch, die Fliege zu erlegen, die ihn schon den ganzen Tag ärgerte. Er war ein miserabler Werfer. Auf der Karte hatte er bereits Hamburg, Bad Salzuflen und das Stadion von Schalke 04 getroffen, aber die Fliege ärgerte ihn immer noch, sie schien ihm wohl mit taktischen Flugmanövern weit überlegen zu sein. In diesem Augenblick kam der Kompaniechef aus seiner Tür. Zeppenfeld sprang vom Schreibtisch und stand mit einem Fuß in seinem Papierkorb. „Zeppenfeld, sie werden auch immer blöder!“ stellte der Hauptmann kopfschüttelnd fest und winkte mich in sein Büro. Mein Schild lag vor ihm auf dem Schreibtisch. „Passen sie auf Kanonier, eh, wie heißen sie eigentlich richtig? Er wartete nicht ab, bis ich meinen Namen sagen konnte und fuhr fort:  "Ich bekomme in 3 Wochen Besuch von der Nato, da sind 5 Nationen vertreten und ich stelle mir vor, sie zeichnen mir von den Nationen je ein Bild mit den entsprechenden Dienstgradabzeichen von deren Streitmacht.“ „Geht das?“ Ich sah mir seine Vorlagen an und erklärte ihm, dass die Zeit zu knapp bemessen ist, weil ich ja erst meinen Dienst erledigen muss und dann danach immer diese vielen Appelle! Aber rein technisch sei das kein Problem. „Ich spreche gleich mit dem Spieß. Sie sind hiermit für drei Wochen vom Dienst befreit, außer Stubenappell natürlich.“ Ich erklärte ihm, dass ich auch entsprechendes Zeichenmaterial brauchte und das gäbe es wahrscheinlich nur in Menden bei Wilhelm Kissing. Ich kannte den Laden, weil ich beruflich schon viel damit zu tun hatte. „Nehmen Sie sich die Zeit, die sie brauchen und der UA soll sie fahren.“ Ich besaß zwar schon einen privaten Führerschein für alle Klassen, aber der wurde von der Bundeswehr nicht anerkannt. Für mich begannen 3 tolle
Wochen. Keine Geländeübungen mehr, kein Stress mit Heinrichs usw. Als ich das Zimmer des Chefs verließ, sah ich einen glücklich strahlenden Unteroffizieranwärter: "Ich habe sie!" Zeigte auf die Karte  bei Braunschweig klebte die Fliege aufgespießt von seiner Reißnadel. Ich sagte heuchelnd: "Zeppi du bist ein Held, ich werde dich für das Eiserne Kreuz mit Eichenlaub vorschlagen."  Bei der Aktion hatte er Köln-Porz, Freiburg im Breisgau und die Innenstadt von Castrop-Rauxel total zerstört. "Jetzt aber mal ernst Zeppi, du sollst mich nach Menden fahren, besorg mal morgen früh ein Auto und 100 Mark.“ Zeppi machte ein leidvolles Gesicht: „Woher soll ich das Geld besorgen?“ Ich konnte soviel Dummheit auf einem Haufen nicht fassen und sagte: „Vom Kantinenpächter!“ Zeppi: „Wie...., vom Kantinenpächter Geld besorgen?“ Der Hauptmann hatte recht, Zeppenfeld wurde immer blöder. „Ach so, außerdem sollst du mir eine Bude im Kompaniegebäude frei machen, wo ich in Ruhe zeichnen kann“ Zeppenfeld machte das, was er am besten konnte, doof aus der Wäsche gucken. „Eine Bude für dich alleine mit Bett?“ fragte er geistesabwesend? Erst wollte ich sagen, dass es ein Büro und kein Schlafzimmer wird, aber dann fiel mir ein, dass ein "Künstler" wie ich, bei soviel Vergeudung von künstlerischer Schaffenskraft, sich die eine oder andere Erholungspause unbedingt gönnen sollte und wo geht es besser als in einem Bett. „Ja klar Zeppi, mit Bett und Bettzeug. Wenn es mal spät wird, kann ich da auch mal übernachten.“ Für Zeppenfeld klang das plausibel aber meinem Wunsch nach Waschbecken und fließendem Wasser wimmelte er mit dem Kommentar: „Du hast sie wohl nicht mehr alle, das hat hier keiner.“ 
Am nächsten Tag stand für die Kompanie ‘Schießen‘ auf dem Dienstplan. Aus meinem Fenster sah ich zu, wie die armen Jungs mit Tischen und Stühlen beladen zum Schießplatz marschierten. Eine halbe Stunde später kam Zeppenfeld. Er hatte einen DKW Geländewagen besorgt und wir fuhren nach Menden. Auf dem Weg dahin erzählte er mir, dass er in einem Briloner Orchester das Waldhorn bläst und das schien sein Lieblingsthema zu sein. Er redete und redete davon und stellte sich als besonderes musikalisches Talent dar. Ich versuchte, ihn von dem nervigen Thema abzubringen, aber auf die gutmütige Art klappte das nicht. Obwohl ich bis heute ein großer Musikliebhaber bin, musste ich meine Leidenschaft verleugnen und ihm vor flunkern, dass ich mich ganz und gar nicht für Musik interessierte und total unmusikalisch bin, dass mich Musik unheimlich nervt. Etwas verschnupft hielt er für den Rest der Fahrt seine Klappe. 
 
Was ein Leben. Für drei Wochen war ich beinahe unantastbar und verbrachte eine wunderbare Zeit mit meiner Lieblingsbeschäftigung, der Zeichnerei. Aber ich machte mir auch Gedanken über die Zeit danach. Draußen wurde es immer kälter und Schnee lag in der Luft. Ich fand ein Leben ohne Geländeübungen sehr angenehm. Was ist, wenn ich mit der Zeichnerei fertig bin. Käme ich mit dem einfachen Leben mit Entbehrung und Matsch noch zurecht? Ich müsste mich am Ende wieder von dem Vollpfosten ohne Portepee rumschupsen lassen. Für denjenigen, der einmal aus dieser Tretmühle entronnen war, ist der Gedanke daran sehr belastend. Noch einmal alles wieder auf Anfang? Schrecklich! Zunächst aber war die Welt noch in Ordnung. Der Kompaniechef besuchte mich täglich pünktlich um 14:00 Uhr im Dachgeschoss in meinem `Atelier.` Er war sehr zufrieden mit dem was er sah. „Sie müssen auch noch Rahmen besorgen!“ Die hängen sie mir dann, wenn sie fertig sind mit ihrer Arbeit, bei mir im Büro auf.“ Nach zwei Wochen hätte ich schon fertig sein können, aber das würde ja bedeuten, dass ich mich mit meiner Zeitkalkulation verschätzt hätte. 
 
Die Fahrt nach Menden musste sorgfältig durchgeplant werden. Wann fahren, wann ankommen, wie lange dauert der Termin, wann treten wir die Rückfahrt an? Inzwischen hatte man mir auch ein Telefon in mein Büro gelegt und ich rief den Fliegenfänger Zeppenfeld an und sagte ihm: „Zeppenfeld, pass auf, der Kompaniechef hat befohlen, dass du mich nach Menden fährst, um Bilderrahmen zu kaufen. Besorge eine Auto und Geld oder eine Bescheinigung, dass die Bundeswehr die Rahmen bezahlt. Gibt es da ein entsprechendes Geschäft?“ Zeppenfeld spontan: „Bockel-mann“ „Gut, dann bis morgen um halb drei, bis wir da ankommen ist der Laden geöffnet. Sei pünktlich.“ 
 
Zeppenfeld war pünktlich und ich suchte drei Sorten der Rahmen aus, von denen ich wusste, dass sie dem Kompaniechef nicht gefallen werden. So war es dann auch, und den Tag drauf fuhren wir wieder los. „Warum nicht gleich so!?“ rief Baumann. Mit dem Einrahmen lies ich mir Zeit, weil meine 3 Wochen noch nicht ganz um waren. 
 
Als wir zurück waren in der Kaserne, sah Heinrichs uns ankommen und steuerte direkt auf mich zu. „Na, Warsteiner, lässt dich ja rumkutschieren wie ein General, aber du weißt ja, die Zeit ist bald um, dann gehst du wieder mit mir ins Gelände. Das ist gut für die Durchblutung und verleiht dem Arsch eine rosige Gesichtsfarbe!“ Ja, so war Heinrichs. Meine Antwort: 
 
„Herr Stabsunteroffizier, ich freue mich schon sehr darauf!“
 
Ich war einen Tag in meinem „Künstleratelier“ als Zeppenfeld mich besuchte. “Du sollst sofort zum Kompanie-chef kommen!“ Der Hauptmann machte ein Gesichts-ausdruck, aus dem ich alles entnehmen konnte, nur nichts Gutes. Er begrüßte mich mit: „Na, mein Lieber, wie geht es?“ So hatte er mich noch nie angesprochen. „Habe gerade einen Anruf bekommen, sie sollen ab nächster Woche in Unna beim Stab mit der Fahrschule beginnen, weil man vorgesehen hat, dass du als Ersatzfahrer vom Ersatzfahrern für General Manthey fungieren sollst. Da werden nur Soldaten genommen, die schon Fahrpraxis haben und sie haben ja schon mit 18 Jahren den Führerschein Klasse drei gemacht." "Mit den Bildern sind sie ja dann fertig und dafür herzlichen Dank, das haben sie gut gemacht. Aber ich habe noch ein weiteres Anliegen, ich brauche noch einen etwa zwei Meter großen NATO Stern an der Wand hinter meinem Schreibtisch. Heute habe ich mit Hauptmann Schulze in Unna telefoniert, er ist der Div. Top. der Siebten."  (Divisions-Topograf der 7. Panzergrenadierdivision und spätere 7. Panzerdivision) "Er ist auf ihren Besuch vorbereitet. Von dem können sie alles an Gestaltungsmaterial bekommen was sie brauchen."

Nachdem die Tür des Geschäftszimmer hinter mir ins Schloss fiel, blieb ich für einen Augenblick regungslos stehen. Ich war überwältigt von meinem Glück und mußte erst einmal die Unterredung verdauen. Ich hörte mich ungläubig sagen: "Das gibt es doch nicht!" Von soviel Glück beseelt, machte ich mich mich mit schnellen Schritten auf den Weg zum meinem Atelier. Auf dem Flur kam mir Heinrichs entgegen und faxte hämisch herum: "Na, den Arsch voll gekriegt?" Ich sagte: "Nee." und ging weiter. Irgendwie hatte ich Heinrichs garnicht wahrgenommen. Erst als er hinter mir her schrie: "Wie heißt das, Herr Oberkanonier?" Ich drehte mich um, baute Männchen und sagte: "Jawohl Herr Stabsunteroffizier!" Drehte mich wieder um und schwebte auf meiner Wolke sieben weiter in Richtung Obergeschoss. Dort schmiß ich mich auf mein Bett und starrte die Decke an. Der Fahrschullehrgang dauert sechs Wochen, also die halbe Grundausbildung! Heute würde man sagen "Geil!" ich fand es "Toll!" Ich war ein Glückspilz. Sozusagen, das vorzeitige Ende der Grundausbildung. Aber der Rest konnte auch noch "heiter" werden. Mal sehen, ob ich da noch etwas dran drehen kann. Ich fühlte mich als Glückspilz. 

BLICK  IN DIE ZUKUNFT:

► Die Fahrer des Generals wurden während meiner Zeit in Unna leider nie krank, so dass sich die Ersatzfahrerei auf drei Touren in Kasernennähe beschränkte. Bei einer Parade in Augustdorf sollte der General stehend im „Munga“ an einer Parade vor dem Verteidigungsminister Strauß teilnehmen. Wir fuhren einen Vormittag im Kasernengelände hin und her und Willy Manthey grüßte stehend jeden Baum, an dem wir vorbeikamen. Nach der ersten Runde fragte er mich: „Wie ich heißt du eigentlich?“ Ich sagte ihm meinen Namen und nach der zweiten Runde sagte er zu mir: „Du machst das gut, wie heißt du noch mal? Nach 5 Runden hatte er genug und weil er nach jeder Runde gefragt hat wie ich heiße, wusste er nun auch meinen Namen. ◀ 

So gingen die letzten Tage in Hemer dahin und der Moment rückte näher, an dem jeder zu seiner Stammeinheiten mussten. Meine Fahrschulzeit in Unna habe ich logischerweise auch dazu genutzt, mir den Laden in dem ich die nächsten neun Monate verbringen muß, einmal gründlich anzusehen und mir vor allen Dingen Abteilung auszugucken, die meinen Intentionen entsprach. Es sollte irgendetwas, mit einem meiner erlernten Berufe zu tun haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich eine Lehre als Schlosser und als Technischer Zeichner erfolgreich abgeschlossen. Das sollte die Grundlage für mein späteres Ingenieurstudium sein. Der Stab in Unna verwaltete 20.000 Soldaten der 7. Division. Also sollte es da doch möglich sein, etwas passendes für mich zu finden. Ich war guter Dingen. Was aus meinen Wünschen und Vorstellungen wurde, dazu später.

Im Auftrag von meines Kompaniechefs Hauptmann Baumann in Hemer, sollte ich wegen einer Rolle Malkarton und diverser Plakatfarben bei einem Hauptmann Schulze des DivTop des Divisions-Topografen vorstellig werden. Hauptfeldwebel Dublaski beschrieb mir den Weg zum Div.Top. Da ich niemals im Leben vor den s.g. Respektspersonen besondere Ehrfurcht entgegenbrachte, schlenderte ich in lockerer Haltung zum Stabsgebäude, beide Hände in den Taschen und schon passierte es.

Ein alter Stabsfeldwebel mit sehr vielen Orden und einem Edelweiß an der Mütze, also ein Gebirgsjäger aus Bayern kreuzte meinen Weg. Er fragte mich: "San Sie no gsund?" Ich wollte gerade bejahen, da legte er los, mit einer Stimme wie Donnerhall in den bayrischen Bergen: "Jo, do leck mi doch oana am Oasch! Laffd da Kerl herum, ois ob ea auf am Stachus spaziern gäd! San sie bläd?" Für alles Andere, was er dann von sich gab, war ich nicht mehr aufnahmefähig. Nie zu vor bin ich in der Dienstzeit derartig zusammengeschissen worden wie von diesem Bayer. Ich bevorzugte jetzt stramme Haltung, um ihn etwas zu besänftigen und milder zu stimmen. Als er fertig war, sagte er noch in einer völligen anderen Tonlage, beinahe väterlich: "Sie soidn moi zum Frisör gengan!"  Ein Auto fuhr vor, er stieg ein und weg war er. Es kam mir vor, als hätte ich noch eine Stunde in strammer Haltung da gestanden. Ein Gefreiter lief an mir vorbei und fragte: "Iss was?" So langsam fand ich zurück ins normale Leben. Das Auto mit dem Stabsfeldwebel fuhr durchs Haupttor auf die Iserlohner Straße und weg war er. Ich dachte darüber nach, ob ich meine Einstellung zu Respektspersonen noch einmal gründlich überdenken sollte. 
 
Im Stabsgebäude grüßte ich für heute erst einmal jeden, der nach einem Vorgesetzten aussah. Aber es liefen auch sehr viele Zivilangestellte mit Akten unter den Armen herum oder standen in Grüppchen auf den Fluren herum und unterhielten sich über dienstliche sowie private Themen. Das gefiel mir: "Wie bei den Warsteiner-Eisenwerken, meinem Brötchengeber." Ich verspürten schon so etwas wie ein anheimelndes Gefühl. Hier werde ich es aushalten können, sind ja nur noch neun Monate. Bei einem Gemisch von Zivilisten und Soldaten, kann es nicht so schlimm werden wie in Hemer.

Meine erste Fahrschulfahrt mit "Borgward B 2000" von Hemer nach Unna
Borgward B2000 mit die-sem Monstrum holte Stuffz Bachmann mich am ersten Tag meiner Fahrschule von Hemer ab. Günther Eickmann sah das Auto vor-fahren und murmelte: "Ich glaube die Russen kommen." Nach dieser ersten Ausfahrt, bekam ich den "Bomber" noch einmal zugeteilt, als wir auf dem Trup-penübungsplatz Han-dorf bei Münster für Nachtfahrten im Kriegs-fall ausgebildet wurden. Kriegsbeleuchtung war so gut wie eine Kerze am Weihnacht-sbaum, also eigentlich nichts. Außer-dem herrschte auf dem gesamten Gelände Gas-alarm, also fuhren wir die ganze Nacht orientier-ungslos unter Gasmaske in der Gegend herum. Die Fahrlehrer wussten wo der Feind lauerte. Mal links rum, mal rechts rum und immer kurz vor dem Umkippen ohne Licht in der Gegend herum. Man, hat das Spaß gemacht! 😡 Hauptmann Böhmke, auch bekannt unter dem Namen "Bollerkopp", war Leiter der Abteilung, die für die Vergabe der Bundeswehr-führerscheine zuständig war. Wenn man ihm zu-hörten, wie er seine Ar-beit beschrieb, neigte man zu der Annahme, der Laden gehöre komplett ihm persönlich. Er be-sprach nichts, er befahl immer. Wenn seine Vorgesetzten mit ihm sprachen, war er klein wie eine Laus, die immer Angst hatte zertreten zu werden. Wenn einer seiner Untergebenen es sich mit ihm einmal verdorben hatten, verzieh er ihm niemals. Mein Freund Günther Mertens diente in seiner Abteilung und stellte alle Führerscheine unterschriftsreif aus. Aufgrund einer Lappalie äußerte Boller-kopp: "Sie bekommen von mir niemals einen Führer-schein." Er hielt sein Wort!           
Mein Fahrlehrer Feldwebel Bachmann in der Stabskompanie der 7. Division
Feldwebel Bachmann, er wur-de noch im Dezember 1961, kurz vor Weihnachten zum Feldwebel befördert. Seitdem wirkte er völlig entspannt. Er hatte mich als Fahrschüler auserkoren, weil er mit die wenigsten Probleme hatte. Mit 12 Jahren bekam ich von meinem Vater einen ausge-musterten 1,0 ton Pritschen-wagen, der verschrottet werden sollte. Ich konnte die Werkswerkstatt nutzen und mit Unterstützung der LKW-Fahrer der Hütte, hauchten wir dem Ur-Oldtimer wieder Leben ein. Am Wochenende, wen die Werkstoren verschlossen waren, donnerte ich mit dem Eintonner auf dem Firmen-geländer herum. Es kam dann noch ein Militärmotorrad dazu. Ein CZ 250 ccm, Einzylinder, die ich im Oberhagen gefunden hatte. Ich nannte sie: "Meine Küppersbusch." und ein Bischhof-Trecker aus Bochum. Als ich meine erste Fahr-stunde für meinen Führerschein hatte, sagte der Fahrlehrer Tschöpe zu mir: "Fahr mal los du alter Schwarzfahrer." Er hatte gesehen, wie ich mir Innen- und Außen-spiegel zurecht rückte und prüfte ob die Gangschaltung im Leerlauf stand. Es wurden inkl. Prüfung  drei Fahrstunden daraus und der Spaß kostete 148,00 DM . Klar, das Bachmann mit mir die Tage mit ohne Stress rumbringen würde. Das Foto entstand in Unna vor den großen Garagen für unsere Motorfahrzeuge. LKW bis 27 ton und eine Unzahl an DKW 0,25 to F91 "Geländewagen" 2-Takt aber auch die Motorräder für unser Kradmelder. Im Laufe meiner Zeit in Unna, hatte ich es fertig gebracht, drei Motoren des DKW zu "schrotten", weil die Autos total unter-motorisiert waren und ich meist den Motor bis zum Anschlag ausreizte. Untaug-lich für den Ernstfall.   
Der DivTop beim Stab der 7. Division Stabskompanie in Unna Hauptmann Schulze
"Hauptmann Schulze, der schönste Haupt mann der Division" wurde von seinen Offizierskameraden genannt. Am meisten fand ich Gefallen an der Topografischen Abteilung des Hauptmann. Er selbst war ein ruhiger und seriöser Mensch, obwohl er Uniform trug, benahm er sich wie ein höflicher Zivilist. Außerdem sah er mit seinen grau melierten welligen Haaren und der Hauptmannsuniform blendend aus. Er befahl nicht, sondern versuchte, seinen Willen den Untergebenen so nahe zu bringen, dass jeder in dem Moment dachte: "Genau dass wollte ich auch gerade tun und nichts anderes."  Das sich später ein beinahe freundschaftliches Verhältnis zwischen uns beiden entwickeln würde, ahnten wir beide zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Auch nicht, dass wir für Tage und Wochen gemeinsam unterwegs sein werden um in Zusammenarbeit mit den Landesvermessungsämtern deutschland-weit die Triangu-lationspunkte (TP-Punkte) zu kontrollieren, ob sie noch dort standen, wo sie laut Eintragung in den Karten stehen mussten. Hauptmann Schulze war ein echter Berliner und hatte sich erst vor 2 Jahren mit einer sehr jungen Frau verheiratet. Sie hatten ein Kind, dass gerade erst ein Jahr alt war. Bevor wir auf Tour gingen, gab es bei Schulzes in der Privatwohnung ein zum Abschied ein gemütliches Kaffee trinken. Außerdem erfuhr ich, dass sein Vater ein sehr großes Taxi Unternehmen hatte. Am gleichen Tag lernte ich noch meinen späteren Büroleiter, Oberfeldwebel Jochen Orlich kennen. Das war ein Original, er wußte alles besser, scheiterte aber beinahe immer an der Tücke des Objektes. Er stellte alles zusammen, was ich brauchte.
Hauptfeldwebel *1923 - ✝︎ 2018 Lothar Dublaski, die "Mutter der Kompanie" der Stabskompanie
Lothar Dublaski, er war stolz darauf, ein Ostpreuße zu sein. Manche mochten ihn, manche mochten ihn nicht. Ich kam sehr gut mit ihm klar. Seine Art, wie er mit uns umging, gefiel mir. Zu unserer Zeit war er gerade einmal 39 Jahre alt. Da ich mütter-licherseits, also zur Hälfte auch Ostpreuße war, lag mir seine Art wie er mit uns umging. Betrachtet man beide Seiten, so hatte Dublaski seinen Beruf freiwillig gewählt und seine Aufgabe war es, aus Zivilisten Soldaten zu machen. Daran wurde der Erfolg seiner militärischen Laufbahn gemessen. Je nach unserem Verhalten, konnte er die Zügel schleifen lassen oder stramm anziehen. Wir dagegen, zumindest die Mehrheit, wurden gegen unseren Willen aus dem Beruf oder dem Studium gerissen. Mit einem entsprechenden Zorn kamen wir in unserer Einheit an. Hemer und Unna, zwei Welten prallten für mich aufeinander. In Hemer galt absoluter Gehorsam. Nur eine falsche Bewegung oder eine unangebrachte Bemerkung zog oft die Sperre des Wochenend-urlaubs nach sich. Beim Stab war das Antreten schon ein echtes Kuddelmuddel, beinahe jeder dritte Soldat erschien mit einer anderen Zusammenstellung der Uniform. Beim Raustreten ging es total irre zu. Hier noch ein Pläuschen, da noch eine Frage zu einem Kameraden rüber gerufen: „Wie war es gestern noch bei Wicke?“ Wicke war ein angesagtes Tanzlokal in Unna. Die Kompanie hatte etwa die doppelte Stärke der Ausbildungskompanie in Hemer. Auffällig viele Fußballspieler von Borussia Dortmund gehörten dazu. Hier tickten alle anders. Meinen Kameraden in Hemer erzählte ich davon, aber sie konnten es nicht glauben und hielten meine Erzählungen für Aufschneiderei.

Ich wurde beinahe täglich von Stuffz. Bachmann oder Stuffz. Kasimir aus Hemer abgeholt, um in Unna am Fahrschullehrgang teilzunehmen. Unsere Standardfahrzeuge waren der Borgward B2000 Baujahr 1956. Er hatte einen 6 Zylinder Reihenmotor mit 2,4 Liter und 82 PS. Seine Geländeeigenschaften waren hervorragend. Außerdem der MUNGA der in den 50er von DKW als leichtes, geländegängiges Fahrzeug für die neu gegründete Bundeswehr entwickelt wurde. Er konnte sich gegen gegen Modelle von Borgward und Porsche durchsetzen. Die Serienfertigung des MUNGA als 0,25t für die Bundeswehr begann 1956. Der MUNGA wurde zuerst mit 900 ccm Zweitakt-Motor ausgerüstet, später dann mit 1000 ccm und 44 PS Zweitakter. Bei allen Fahrzeugen konnte der Allradantrieb zugeschaltet werden. Ab Mitte der 70er Jahren dann mit Viertakt-Motoren, meist von Opel oder Ford. Bis zur Einstellung wurden insgesamt 47.000 Fahrzeuge gebaut.

Der Fahrschulbetrieb gehörte zum Stab der 7. Panzergrenadierdivision in Unna. Besser hätte es für mich nicht laufen können täglich wurde ich von meinem Fahrlehrer Stabs-Unteroffizier Bachmann im Borgward Geländewagen von Hemer nach Unna geholt. Für die theoretischen Stunden gab es in der Nähe der Kompanieunterkunft entsprechende Räumlichkeiten. Täglich etwa 5 Stunden Unterricht über Verkehrsregeln und die wundersame Technik der Automobile. Nach dem Mittagessen ging es dann über Land. Ich konnte seit meinem 12. Lebensjahr Motorrad- und Autofahren und hier zahlte sich das aus. Die meiste Zeit lümmelte sich Bachmann auf seinem Sitz herum. Wenn wir starteten, fragte er mich vorher: „Wo sollen wir mal hinfahren?“ Nachdem ich ihn eine Woche kannte, erlaubte ich mir zu sagen: „Meine Oma besuchen.“ An meiner Mimik ließ ich nicht erkennen, ob ich einen Scherz gemacht habe oder ob es mir ernst war. „Wo wohnt die denn?“ wollte er wissen. „In Castrop-Rauxel“ sagte ich und war mir nicht klar, ob er wirklich mit mir meine Oma besuchen wollte. Als mir klar war, dass es ihm ernst war, sagte ich ihm, dass ich eben anrufen müsste. Meiner Oma, die immer Respekt vor der Obrigkeit hatte, erklärte ich, dass ich mit einem Vorgesetzten vom Militär vorbeikomme. Sie reagierte mit der von mir erwarteten Frage: „Soll ich was kochen?“ und ich „Wenn du das machen würdest Oma!“ Wir fuhren über Bochum zurück Richtung Castrop, Ringstraße 60. Opa war auch gerade von der Zeche Schwerin von der Frühschicht zurück und Oma tischte nach ostpreußischer Art auf. Bachmann, dem eigentlich eine Diät besser gestanden hätte, stopfte in sich rein, als ob er vier Wochen von Wasser und Brot gelebt hätte. Es gab dann noch Kaffee zum Abschied und Oma wollte wissen, was Bachmann für einen Dienstgrad habe. Mit Stabsunteroffizier konnte sie nichts anfangen und fragte nach: „Ist das mehr als ein ostpreußischer Gendarm?“ Ich sagte zur Oma: „Viel höher“ sie war begeistert und Bachmann war auch. Ab sofort gehörte der Besuch bei Oma zu seinen Lieblingszielen. Ich brauchte einen neuen Anzug und fragte Bachmann, ob wir mal beim Herrenhaus Fischer in Dortmund vorbeifahren könnten. Früher war der Westenhellweg komplett befahrbar und ich übte gerade LKW. Wir parkten also breit vor dem Herrenhaus Fischer und ich kaufte mir einen Pepita-Anzug für 98,00 DM.
Ich hatte das Gefühl, dass Bachmann aufgrund dessen, dass sich bei Oma regelmäßig den Wanst voll schlug, mir eine oder mehrere Gefälligkeiten schuldete. Wir wurden ein prima Team. Sagen wir mal so, wir verstanden uns gut.
Ich habe 2 Welten kennengelernt. In Hemer galt nur strikter Gehorsam und einmal husten im Glied, wenn die Kompanie  angetreten war, zog oft die Sperre des Wochenendurlaubs nach sich. Beim Stab war das Antreten schon ein Kuddelmuddel, beinahe jeder hatte eine andere Uniform an und beim Raustreten ging es total gemütlich zu. Hier noch ein Pläuschen, da noch eine Frage zu einem Kameraden rüber gerufen: „Wie war es gestern noch bei Wicke?“ Wicke war ein bekanntes Tanzlokal in Unna. Die Kompanie hatte die doppelte Stärke der Ausbildungskompanie in Hemer. Auffällig viele Fußballspieler von Borussia Dortmund gehörten dazu. Hier tickten alle anders. Meinen Kameraden in Hemer erzählte ich davon, aber sie konnten es nicht glauben und hielten meine Erzählungen für Aufschneiderei.

Der Tag der Prüfung durch Hauptmann Böhmke. Wir waren zu 20 Soldaten auf einem LKW Richtung Dortmund über die B1. Der Prüfling fuhr und die anderen 19 saßen auf Bänken auf der Ladefläche. Bei Aplerbeck stoppte der LKW und der Prüfling kletterte auf die Ladefläche: „Durchgefallen“ murmelte er. „Du sollst jetzt fahren“ sagte er zu mir. Ich beeilte mich, ins Fahrerhaus zu kommen. „Was sehen sie vor sich?“ fragte Böhmke. „Armaturenbrett mit Lenkrad“ „Und sonst?“ Ich fing an, von links nach rechts die Instrumente zu erklären und er sagte nach dem 3. Instrument: „Denn mal los!“ Wir waren an der zweiten Ampel angekommen auf der 3-spurigen Straße, vor der linken Ampel und vor der rechten Ampel standen LKW und nur die Mitte war frei, also die Bahn, auf der ich mich befand und ich fuhr einen 27-Tonner. Wenn das nicht die Prüfung gewesen wäre, hätte ich mich nicht in die Gasse gewagt. Aber in diesem Fall fuhr ich mit dem gleichen Tempo weiter und stoppte vor der Haltelinie. Ich habe das Gefühl bis heute nicht vergessen. Die Arschbacken zusammengekniffen und damit gerechnet, dass es jeden Augenblick ein lautes krachendes Geräusch gibt. Aber es passte. Hoch erhobenen Hauptes saß ich hinter dem Lenkrad, als ob das einer meiner leichtesten Übungen sei. Böhmke: “Man hast du ein Augenmaß, ab nach hinten.“ Ich sah in fragend an und er sagte: „Bestanden!“ Grinste und kniff mir ein Auge zu. Die Fahrt ging weiter und einer nach dem anderen kam auf die Ladefläche zurück: „Durchgefallen“ Das Ende vom Lied. Böhmke es gab nur 6 bestandene Prüfungen. So war Böhmke. Günther Mertens war in der Abteilung und zuständig für die Ausstellungen der Fahrerlaubnisse. Irgendwann hatte er Böhmke derart verärgert, dass Böhmke ihm versprach: „Mertens, sie bekommen von mir in diesem Leben keinen Führerschein!“ Er hat Wort gehalten. Günther machte nach der Entlassung seinen Führerschein in Unna, viel teurer, aber ohne Böhmke.

Mein Freund und Kamerad Günther Mertens sagt zu dem Thema:

28.02.2021 Ich weiß allerdings, dass er sehr bollerig war. 'Warm' wurde ich mit diesem Offizier nicht. Wollte ich auch nicht! Er war aus meiner Sicht unnahbar, doch widerlich, wie viele andere Vorgesetzte, war er nicht. In der Abteilung von Divisions-Ingenieur bei Oberleutnant Kiener war ich u. a. sein Schreiber. Ich musste alle Berichte mit Bild und Schrift von den Feldjägern in ein 'Berichts-Buch' von Hauptmann Böhmke übertragen. Im Übrigen durfte ich alle Bundeswehr-Führerscheine vorbereiten. Ich habe allerdings als Sellerist (dazu komme ich später noch ausführlich) keinen bekommen. Das war seine Strafe. Er hat mir das auch deutlich gemacht. Er war eigentlich nur selten im Büro - da er verantwortlich war für die Fahrschule im Außendienst - so dass ich weit überwiegend alleine in seinem Büro schrieb und daraus auch viel Freizeit abzweigen konnte. Ein Anlass muss ich jedoch sehr positiv erwähnen: Als mich der Stabsarzt mit einem fast durchbrochenen Blinddarm ins Krankenhaus einwies und ich dort sofort operiert wurde, hat mich der Hauptmann Böhmke mit einem Mitbringsel in Uniform besucht. Auf meinem Krankenzimmer lagen auch mehrere ältere Patienten. Sie erlebten meinen Besuch mit dem vielen Silberabzeichen mit. Als Hauptmann Böhmke das Zimmer verlassen hatte, staunten alle Zimmergenossen und waren der Meinung, auch ich sei ein 'hohes Tier'. Ich habe nicht widersprochen. Doch als mich die Selleristen mehrfach besuchten und getönt und erzählt hatten, waren die Zimmergenossen nicht mehr ganz sicher. Ich habe ihnen jedoch nichts erklärt. Ich schied ohne Bundeswehr-Führerscheine aus der Wehrpflicht.

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